Rezension: „Orchestertechnik“ von Gordon Jacob

Buchrezensionen

(Erstveröffentlichung am 23. Januar 2009)

Es ist erstaunlich, dass die Essenz der Orchestrierungskunst in diesem nur etwa 120 Seiten starken Buch enthalten ist. Die zahlreichen Aphorismen, die aus der langjährigen Erfahrung des Autors Gordon Jacob hervorgegangen sind, sind auch heute noch hörenswert.

Dieses Buch beschränkt den Inhalt zur Instrumentenkunde auf ein absolutes Minimum, aber seine Erklärung, „wie man orchestriert“, ist hervorragend und für Anfänger leicht verständlich. Es führt den Leser schrittweise von der Orchestrierung nur für Streichorchester über reine Holzbläsergruppen, deren Mischung bis hin zum vollen Orchester einschließlich Blechbläsern und Schlagzeug und präsentiert dabei konkrete Entscheidungskriterien.

Viele Fachbücher dieser Art neigen dazu, Fakten katalogartig und umfassend aufzulisten, aber persönlich finde ich Bücher, in denen die Thesen und Wertvorstellungen des Autors im Vordergrund stehen, interessanter und sympathischer. Auch dieses Buch ist ein solch unverwechselbares Werk.

Da es für Anfänger der Orchestrierung und für allgemeine Zuhörer geschrieben wurde, strebt es nicht nach lexikalischer Durchsuchbarkeit oder Präzision. Man hat vielmehr das Gefühl, dass es so konzipiert ist, dass der Leser „in die Welt der Orchestrierung wie in eine Geschichte eintauchen kann“.

Um Kindern beispielsweise Verkehrsregeln beizubringen, gibt es die Methode, einen Unfall in einem Theaterstück oder einem Papiertheater nachzuspielen, um sie das Ereignis miterleben und verstehen zu lassen. Der Eindruck dieses Buches ist sehr ähnlich. Es ist bemerkenswert, dass es dem Leser nach dem vollständigen Durchlesen ermöglicht, sich den realen Prozess der Orchestrierung vorzustellen.

Auch ich habe früher aus diesem Buch konkrete Anregungen erhalten, unter anderem zu den wichtigen Punkten bei der Kombination von Holzbläsern und Hörnern mit Streichern. Es gab auch viele Aussagen, bei denen ich trotz meiner geringen Erfahrung zustimmend nicken musste und dachte: „Genauso ist es.“

Als sehr grundlegender Warnhinweis zum Beispiel: Musiker aus dem Pop- oder Jazzbereich neigen dazu, den Rhythmus mit Rhythmusinstrumenten zu stark zu betonen. Es ist fast schon erfrischend, wie scharf der Autor dies tadelt.

Auch eines der Hindernisse für Anfänger, „die Mischung und der Kontrast von Holzbläser- und Streichergruppen“, wird im Kapitel über das kleine Orchester so erklärt, als würde der Autor die Probleme des Lesers durchschauen. Er beginnt mit einer Tabelle zur Häufigkeit von Kombinationsmustern und dient so als Sprungbrett für die eigene weitere Forschung.

Auch wenn es selbstverständlich ist, den Inhalt des Buches durch die eigene zukünftige Erfahrung zu modifizieren oder zu variieren, möchte ich empfehlen, sich zunächst voll und ganz auf ein solches Buch einzulassen, da es nützlich ist, eine eigene Koordinatenachse in sich zu tragen.

Im Sinne von „man tritt ein und macht irgendwann seinen Abschluss“ halte ich es für ein Lehrbuch im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist ein wunderbares Buch, das die Fülle an „neuen Erkenntnissen“ bietet, die man beim Wiederlesen eines Lehrbuchs als Erwachsener erfährt.

Inhaltsverzeichnis von „Orchestertechnik“

  • Kapitel I – Einleitung
  • Kapitel II – Das Streichorchester
  • Kapitel III – Holzbläser und Hörner
  • Kapitel IV – Holzbläser und Hörner (Fortsetzung)
  • Kapitel V – Das kleine Orchester
  • Kapitel VI – Die Blechbläser
  • Kapitel VII – Schlagzeug
  • Kapitel VIII – Harfe, Glockenspiel, Xylophon und Celesta
  • Kapitel IX – Das volle Orchester – Tutti
  • Kapitel X – Allgemeine Hinweise
  • Index

Über den Autor

Gordon Jacob

Gordon Jacob wurde am 5. Mai 1895 in London geboren. Er studierte Komposition am Royal College of Music bei Boult und Stanford und wurde später Professor für Komposition, Orchestrierung und Dirigieren an derselben Institution. Zu seinen Hauptwerken zählen die Ballette „Jeu in the Bush“ und „Uncle Remus“, die von der Londoner Vic-Wells Company uraufgeführt wurden, sowie ein Konzert für Klavier und Streicher (1926), ein Konzert für Oboe und Streicher (1933) und Variationen für Orchester (1937).

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Profil      

Ein japanischer Komponist, der experimentelle Crossover-Musik mit Wurzeln im Jazz und in der klassischen Musik schafft. Mit seiner Erfahrung in der Komposition von Bühnen- und Videospielmusik strebt er danach, Musik mit einer starken Erzählung zu schaffen.