(Ursprünglich veröffentlicht am 9. April 2002)
Unter den derzeit erhältlichen Büchern zur Orchestrierungslehre ist dieses dasjenige, das ich unter Berücksichtigung von Zugänglichkeit, inhaltlicher Fülle, Preis und Mehrwert mit gutem Gewissen empfehlen kann.
Es erklärt nicht nur die Tonumfänge und Spieltechniken der einzelnen Orchesterinstrumente, sondern geht auch auf Analysemethoden zum Studium der Orchestrierung vergangener Komponisten und den konkreten Prozess der Gestaltung eines Orchesterwerks aus Melodie- und Begleitungsskizzen ein. Dies wird Anfängern, die völlig im Dunkeln tappen, helfen, einen entscheidenden Schritt nach vorne zu machen.
Danach wäre es eine gute Idee, bei Bedarf „Die vollständige Orchestrierungslehre“ von Akira Ifukube zu erwerben. Jenes Buch bietet eine wesentlich tiefergehende Erläuterung des Orchesters als organischer Klangkörper, wobei der Schwerpunkt auf den Wechselbeziehungen zwischen den Instrumenten und ihren kombinierten Effekten liegt.
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Es gibt viele verschiedene Bücher, die die einzelnen Instrumente des Orchesters detailliert beschreiben und zahlreiche Praxisbeispiele enthalten. Die Einzigartigkeit dieses Buches liegt jedoch in „Teil Zwei: Analyse der Orchestrierung“ und „Teil Drei: Praktische Aufgaben zur Orchestrierung“. Es lehrt nicht nur Techniken anhand fertiger Orchestrierungen, sondern erklärt auch den Prozess, wie man Phrasen und Begleitungen selbst orchestriert.
Interessant ist der Abschnitt über „Akkorde“, der dem entspricht, was in der Popmusik als „Voicing“ bezeichnet wird. Er beschreibt, wie man Blechbläser, Holzbläser und Streicher in welchen Kombinationen und Tonlagen am effektivsten einsetzt, um einen bestimmten Akkord zu spielen.
Man erkennt, dass viele auf den ersten Blick exzentrisch wirkende, einzigartige Orchestrierungen tatsächlich Erweiterungen natürlicher Klangkombinationen sind, die mit reicher Vorstellungskraft weiterentwickelt wurden. Dieses Buch versucht, Dinge aus der Perspektive des Schöpfers zu beleuchten, die nur vom Endergebnis her schwer zu erkennen sind.
Die Notenbeispiele in diesem Buch decken eine breite Spanne von der Klassik bis zur Moderne ab, doch die Zitate sind kurz und beschränken sich meist auf etwa 10 Takte. Genau diese Tatsache lehrt uns jedoch die Bedeutung der kontinuierlichen Anhäufung subtiler und feinsinniger Überlegungen. Man erhält einen Einblick hinter die wahren „Kulissen“ – welch immense Überlegung und Urteilskraft in die Schaffung eines einzigen Augenblicks in einer Klangwelt fließen.
Als guten Kontrast zu diesem Buch, das Praxisbeispiele der Orchestrierung gezielt erläutert, sehe ich die „Instrumentationslehre“ von Berlioz (bearbeitet und ergänzt von R. Strauss). Jenes Werk konzentriert sich auf den Fluss und die zeitliche Veränderung der Musik und enthält lange Notenbeispiele. Persönlich finde ich, dass sein Reiz eher der einer faszinierenden historischen Lektüre ist. Anfängern, die ein ernsthaftes Lehrbuch suchen, würde ich raten, zuerst Walter Pistons Buch zu Rate zu ziehen.
Ich bin der Meinung, dass die Orchestrierungslehre nicht nur für diejenigen interessant ist, die direkt mit Orchestern zu tun haben, sondern für viele, die komponieren. Sie ist unglaublich hilfreich, um kompositorischen „Kontrast“ sowie das akustische „Schieben“ und „Ziehen“ zu verstehen.
Inhaltsverzeichnis von „Orchestration“
- Vorwort des Autors
- Teil Eins: Die Orchesterinstrumente
- Kapitel 1: Die Streichinstrumente
- Kapitel 2: Violine / Kapitel 3: Viola / Kapitel 4: Violoncello / Kapitel 5: Kontrabass
- Kapitel 6: Die Holzblasinstrumente
- Kapitel 7: Flöte / Kapitel 8: Oboe / Kapitel 9: Klarinette / Kapitel 10: Fagott
- Kapitel 11: Die Blechblasinstrumente
- Kapitel 12: Horn / Kapitel 13: Trompete / Kapitel 14: Posaune / Kapitel 15: Tuba
- Kapitel 16: Das Schlagwerk
- Kapitel 17: Die Harfe
- Kapitel 18: Tasteninstrumente
- Kapitel 1: Die Streichinstrumente
- Teil Zwei: Analyse der Orchestrierung
- Kapitel 19: Satztypen – Typ 1: Orchestraler Unisono
- Kapitel 20: Satztypen – Typ 2: Melodie und Begleitung
- Kapitel 21: Satztypen – Typ 3: Nebenmelodie
- Kapitel 22: Satztypen – Typ 4: Stimmführung (Part-Writing)
- Kapitel 23: Satztypen – Typ 5: Kontrapunktischer Satz
- Kapitel 24: Satztypen – Typ 6: Akkorde
- Kapitel 25: Satztypen – Typ 7: Kombinierte Satztypen
- Teil Drei: Praktische Aufgaben zur Orchestrierung
- Kapitel 26: Orchestrierung von Melodien
- Kapitel 27: Hintergründe und Begleitungen
- Kapitel 28: Das Setzen von Akkorden in der Partitur
- Kapitel 29: Stimmführung und Kontrapunkt
- Schlusswort / Nachwort des Übersetzers / Index
Über den Autor
Walter Piston
Geboren 1894. Einer der führenden modernen amerikanischen Komponisten und Schüler von Nadia Boulanger. Er ist auch für seine theoretischen Schriften berühmt. Unter seinen Büchern sind „Harmonielehre“ und „Kontrapunkt“ ins Japanische übersetzt worden. (Zitat aus diesem Buch)
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